Als das Thema Corona in den Medien aufkam, gab es zahlreiche Berichterstattungen über chinesische Essgewohnheiten oder die Wildtiermärkte in China, die viel Spielraum für rassistische Fehlschlüsse ließen. Nun, wo das Virus auch hier in Europa angekommen ist, werden Kontaktverbote erteilt, Geschäfte müssen schließen, das öffentliche Leben ist weitestgehend stillgelegt, mit schwerwiegenden Folgen für die Wirtschaft, teilweise auch persönlich. Die Medien geben Tipps, wie man sich die Hände richtig wäscht, richtig niest, sich Schutzmasken näht oder die Zeit in Einsamkeit am besten verbringen kann.
Doch ist das nicht alles nur eine Symptombehandlung? Sollte man nicht etwas tiefer blicken und schauen, wie man derartige Pandemien an der Wurzel bekämpfen kann? Welchen Beitrag leisten wir selbst zur Entstehung von Zoonosen? Zoonosen sind Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, beispielsweise die Spanische Grippe, SARS, die Schweinegrippe, die Vogelgrippe, Ebola und nun auch COVID-19.
Die Entstehung von Zoonosen wird hauptsächlich durch die Nutztierhaltung begünstigt. Und genau an dieser Stelle gibt es sogar zwei Kausalzusammenhänge.
Erstens: Brutstätten von Viren sind nicht nur die Wildtiermärkte, sondern auch unsere europäischen Mastanlagen. Im Trubel der ganzen Coronanews ist vielleicht untergegangen, dass wir gerade jetzt eine Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest haben. Besorgniserregend ist die Ausbreitung im Westen Polens, wo der Erreger von Wildschweinen auf Hausschweinbestände übergesprungen ist.[1] Im März wurden 24.000 Hausschweine in Polen getötet.[2] Was vielleicht auch unter den Tisch gefallen ist: auch der Erreger H5N8, bekannt als Vogelgrippe, greift aktuell wieder um sich. Bereits fünf deutsche Betriebe mussten ihr Geflügel töten.[3] In den Medien kein Wort darüber. Man könnte ja auf die Idee kommen, dass es einen Zusammenhang zwischen unseren Fleischgelüsten und damit einhergehenden Erregern gäbe. Stattdessen hauen sich die Menschen Fleisch in ihre Einkaufskörbe als gäbe es kein Morgen mehr.[4]
Zweitens: Die Nutztierhaltung erfordert eine Abholzung der Regenwälder, um somit Ackerflächen zu gewinnen, auf denen dann Tierfuttermittel angebaut werden kann. Dazu gehört hauptsächlich Soja. Damit wird vor allem die Nachfrage aus Europa gedeckt. Bis zu 75% des Sojaanbaus sind der Tierfuttermittelindustrie zuzuschreiben. Dabei könnten Soja und die anderen Pflanzen viel mehr Menschen ernähren, wenn sie nicht den Umweg über das Tierfutter machen würden und stattdessen direkt der menschlichen Ernährung dienten.[5] Allein diese Tatsache bekräftigt einen Verzicht auf tierische Lebensmittel. Aber diese Tatsache ist noch nicht das Ende der Kausalkette. Zurück zur Entstehung von Zoonosen: Durch die Abholzung der Regenwälder dringen wir immer weiter in bisher unberührte Natur vor, wo Viren zu finden sind, mit denen wir vorher nie in Berührung kamen. Diese können womöglich tödlicher sein als SARS-CoV-2. Wir verdrängen Arten aus ihren intakten Lebensräumen. Diese kommen dann wiederum in Kontakt mit anderen Arten, die vorher noch nie aufeinandertrafen. Sie teilen sich nun Lebensräume. Ihre genetische Vielfalt nimmt ab. Viren haben leichtes Spiel und finden über kurz oder lang wieder den Übertragungsweg zu uns Menschen.
Neben den Zoonosen, sagen Experten noch ein ganz anderes Problem voraus. Sie prognostizieren für das Jahr 2050 multiresistente Keime als Haupttodesursache.[6] Wir bauen Mastanlagen für tausende Tiere, die auf engstem Raum in ihren eigenen Exkrementen vor sich hinvegetieren und die kurze Zeit bis zur Schlachtung nur überleben, weil wir ihnen u.a. Antibiotika verabreichen. Die industrielle Nutztierhaltung ist eine Brutstätte für Erreger und multiresistente Keime.[7] Man schätzt, dass bis zu 80% der weltweiten Antibiotika in der Tierzucht verabreicht werden.
Hierzu noch zwei Stimmen aus der Wissenschaft:
Kurt Schmiedinger, Lebensmittelwissenschaftler und Geophysiker sagte: „Die aktuelle COVID-19-Pandemie kam mit Ansage. In der Wissenschaft herrscht seit Jahrzehnten große Einigkeit, dass wir durch die industrielle Nutztierhaltung oder auch durch Wildtiermärkte solche Risiken provozieren.“ Und Johannes Vogel, Professor für Biodiversität, stellt klar: „Dieses Virus ist der Preis unserer Ausbeutung der Natur.“
Solange wir Tiere ausbeuten, sie verspeisen und sie aus ihrem natürlichen Lebensraum verdrängen, solange werden wir mit den Konsequenzen leben müssen. Auf tierische Produkte zu verzichten, ist das wirksamste und einfachste Mittel gegen Pandemien und Klimaerwärmung. Alles andere ist nur eine Behandlung der Symptome. Die derzeitigen einschneidenden Maßnahmen weißen ein sehr schlechtes Aufwand-Nutzen-Verhältnis auf, d.h. sie sind für den Kern des Problems überhaupt nicht zielführend, dafür aber folgenschwer in jeder anderen Hinsicht.
In Frankfurt ziehen einige Restaurants bereits Schlüsse: Aus ethischen und pandemischen Gründen bieten Lokale wie Fletchers Better Burger, Café Hauptwache und Pizzeria Montana seit dem 30. März kein Fleisch mehr an.[8] Es ist an der Zeit für die eigene Küche, die gleichen Schlüsse zu ziehen.
[1] vgl. www.tierseucheninfo.niedersachsen.de
[2] Spiegel vom 23.03.2020 „Polen lässt 24.000 Hausschweine töten“
[3] www.verbraucherzentrale.de „H5N8-Erreger wieder in Deutschland angekommen“ vom 01.04.2020
[4] Facebook-Post von Aleksandra Keleman, vegane Ernährungsberaterin
[5] https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/warum-sojawurst-nicht-dem-regenwald-schadet
[6] Arte Dokumentation: „Resistance fighters“ https://programm.ard.de/TV/arte/resistance-fighters/eid_287241324400107
[7] Facebook-Post von Florian Schwarz auf Weiß, Umweltaktivist
[8] https://www.fletchers-betterburger.de/menu/